Interview mit Univ. Prof. Dr. Doris Maria Gruber
Haben Frauen ein anderes Gesundheitsempfinden als Männer? Was hat sich in den vergangenen Jahren in Bezug auf Sexualität oder Schwangerschaft geändert? Hat sich denn überhaupt etwas geändert? Mag. Ruth Fischer (Unternehmensleiterin Apomedica-Dr. Böhm®) sprach mit Univ. Prof. Dr. Doris Maria Gruber über wichtige Aspekte der Frauengesundheit und Unterschiede zwischen früher und heute.
Mag. Fischer: Haben Frauen ein anderes Gesundheitsempfinden als Männer und wenn ja, inwiefern?
Prof. Dr. Gruber: Bedingt durch den Menstruationszyklus, der mit der Pubertät beginnt und in der Menopause endet, haben Frauen ein anderes Körperbewusstsein. Im Laufe des Lebens lernen sie ihren Körper und seine Funktionen immer besser zu interpretieren und kennen sich dadurch allmählich sehr gut aus. Frauen sind die eigentlichen Experten für sich selbst. Dies gelingt aber nicht von heute auf morgen, sondern es bedarf einer guten Einschätzungsgabe und eines genauen „In sich Hineinhörens“. Auch Veränderungen bemerken Frauen meist rascher: Häufig können sie sogar Beschwerden einem Zyklustag und einem Organ präzise zuordnen.
Mag. Fischer: Hat sich in Bezug auf Schwangerschaft und Geburten im Laufe Ihrer Zeit als Gynäkologin etwas verändert? Gibt es beispielsweise mehr oder weniger Kaiserschnitte als noch vor einigen Jahren?
Prof. Dr. Gruber: Die Schwangerschaft wird als besonderes Ereignis im Leben der Frau wahrgenommen. Fortpflanzung ist nicht selbstverständlich – viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch kennen diese Problematik nur zu gut. Die Erwartungen sind oft hoch. In der heutigen Zeit wird die Schwangerschaft genau geplant und sollte am besten punktgenau eintreten. Ist sie dann eingetreten, ist Frau nicht mehr nur „guter Hoffnung”, sondern alles wird untersucht und pränataldiagnostisch abgeklärt. Das ist auch gut so und trägt zum Glück meist zur Beruhigung bei. Die oft einzige Schwangerschaft im Leben einer Frau wird zum „Ereignis” – ebenso auch die Geburt. Kaiserschnitte sind zwar auf hohem Niveau, doch die natürliche Geburt ist sehr gefragt und gewünscht.
Mag. Fischer: Inwiefern hat sich die Einstellung zur Sexualität verändert? Resultieren daraus negative Folgen (z. B. aus der frühen Einnahme der Pille)?
Prof. Dr. Gruber: Die sexuelle Aufklärung erfolgt früh: durch die Mutter, die Schule, aber auch durch das Internet. Die Informationen im Sexualkundeunterricht sind sehr technisch, eher „verhütungslastig”. Selten erhalten die Mädchen im Rahmen dieser Gespräche detaillierte Informationen über ihren Menstruationszyklus, obwohl diese Kenntnisse für Mädchen, aber auch für Burschen, sehr wertvoll sind. Der zu frühe Einsatz von Pille und Co. kann sich negativ auswirken. Die hormonelle Empfängnisverhütung steht für Ovulationshemmung – oft hat bei den 13- und 14-Jährigen allerdings noch gar kein Eisprung stattgefunden und es sind nur die “Vorboten “ wie unreine Haut und Akne sichtbar. Mit der Pille wird die Akne deutlich verbessert, weil der Androgenhaushalt unterdrückt wird. Androgene und in weiterer Folge auch die Östrogene sind aber zu diesem Zeitpunkt wichtig. Der sich in Entwicklung befindliche Eierstock wird in seiner Aktivität oft nachhaltig irritiert. Diese frühzeitige Unterdrückung kann langfristige Nachteile haben: Die Eierstöcke werden in ihrer Funktion gestört. Die Folgen: Regelstörungen jeder Intensität bis zum völligen Ausbleiben der Menstruation, das Beibehalten der pubertären, multifollikulären ovariellen Morphologie. Aber auch das Nichtausreifen der Gebärmutter und der Eileiter kann die Folge sein und somit langfristig sogar zu Unfruchtbarkeit führen.
Mag. Fischer: Hat sich die weibliche Gesundheitskompetenz verändert? Welche Unterstützung in Form von Nahrungsergänzung oder Medikamenten nehmen Frauen gerne in Anspruch?
Prof. Dr. Gruber: Die moderne Frau nimmt ihre Gesundheit selbst in die Hand. Infos bezieht sie aus dem Internet und von ihren Freundinnen. Im besten Fall hält sie Rücksprache mit ihrem Frauenarzt oder ihrer Frauenärztin, um ihre neu gewonnenen Erkenntnisse prüfen zu lassen. Daher sollten wir wissen, was in der TV-Werbung und im Internet (beispielsweise durch Influencerinnen) zu diversen Fragestellungen berichtet wird. Frauen nehmen darauf häufig Bezug. Pflanzliche Präparate sind besonders beliebt, besonders bei Frauenleiden. Somit ist es sinnvoll die Phytotherapie als first-line-Behandlung anzubieten. Wenn sich kein Erfolg einstellt, werden weitere pharmazeutische Produkte in der Behandlung besser akzeptiert.
Mag. Fischer: Lebensphasen – Gesundheitsprobleme, was ist wann wichtig?
Prof. Dr. Gruber: Jede Lebensphase der Frau hat ihre Besonderheiten: Die richtige Entwicklung in der Pubertät ist als Weichenstellung für die nächsten 40 Jahre besonders wichtig. In dieser Zeit werden viele nachhaltige Gesundheitsentscheidungen getroffen: körperlich und psychisch. Wenn hier alles gut läuft, ist viel gewonnen. Der Fokus liegt darauf, den Menstruationszyklus zu etablieren, damit Frau mit diesem naturgegebenen Rhythmus gut leben lernt und ihr Leben danach richten kann. Diese Rhythmizität im Frauenleben zu akzeptieren macht Vieles leichter. Einer gelungenen Sexualität mit Verhütung und der Erfüllung des Kinderwunsches steht somit nichts im Wege.
Die Schwangerschaft stellt eine eigene, spezielle Zeit für die Frau und für das Ungeborene dar. Sie muss geschützt, behütet und auch medizinisch gut betreut werden.
Die Geburt – Eine Zäsur im Leben der Frau. Alles verändert sich, nichts ist so wie vorher! Sowohl der Körper als auch die Psyche, die sozialen Lebensumstände, Partnerschaft und Beruf… alles erfordert eine Neuausrichtung.
Die Menopause: Rückabwicklung der Pubertät, nur dass Frau ihre hormonell bedingten emotionalen und körperlichen Veränderungen besser verstehen kann. Die Zeit der Menopause nimmt genauso Ihre Zeit in Anspruch wie es die Pubertät 40 Jahre zuvor getan hat.
Mag. Fischer: Welchen Stellenwert haben pflanzliche Wirkstoffe in der Therapie?
Prof. Dr. Gruber: Pflanzliche Präparate und Arzneimittel haben im gesamten Frauenleben in der Therapie einen wichtigen Stellenwert. Frauen bevorzugen auch die Phytotherapie, der Trend zur Natur ist nicht mehr aufzuhalten. Nachgefragt wird aber neben der Wirksamkeit, auch die Rohstoffquelle, die Reinheit und Qualität der verarbeiteten Pflanzen, die Standardisierung sowie das Anbaugebiet.
Mag. Fischer: Frau Professor Gruber, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Prof. Dr. Gruber: Sehr gerne.